Jahrgangsreport 4: Gespräche im Weinberg

Unerbittlich klingelt um 5:00 Uhr der Wecker. Zeit sich für den Weinberg fertig zu machen. Ein Blick aus dem Fenster lässt hoffen: es ist trocken und die Sterne sind noch am klaren Himmel zu sehen. Pünktlich um 7:00 sind wir dann alle versammelt: Imre, der Vorarbeiter, Gábór, unser Alleskönner, unsere neun Helfer und unsere beiden Freunde aus Deutschland.

Weinberg-Rituale

Für alle die mögen, gibt es den traditionellen Motivationsschnaps, auch wenn er heute gar nicht nötig wäre, denn die Stimmung ist super. Wir stürzen uns mit Elan in unsere Aufgaben und die Lese schreitet zügig und problemlos voran. Wir sind so vertieft in unsere Tätigkeiten, dass wir fast das Mittagessen verpasst hätten. Doch der Duft von Dorothées Orientalischer Nudelpfanne lockt uns ins Versorgungszelt.

Nicht nur Helfer, sondern Menschen mit Geschichten

Neben mir sitzt Zoli. Wir kennen uns seit Jahren und trotzdem weiß ich nur wenig über ihn. Während der duftende Kaffee und das selbstgemachte Tiramisu auf den Tisch kommt, bitte ich ihn mir von sich zu erzählen. Er ist 70 Jahre alt und hätte bestimmt viel zu berichten, aber er möchte erst nicht. Da gäbe es nichts sagt er. Und dann beginnt er doch.

Zoli´s Geschichte

In den späten 60ern, gerade jung verheiratet und auf dem besten Weg ein frisch gebackener Vater zu werden, wurde Zoli verhaftet. Nach seiner Entlassung konnte er einfach keine Arbeit mehr finden. Schließlich verließ ihn seine Frau mit den mittlerweile zwei Kindern. Nach langer Suche fand Zoli dann einen Job als Bergarbeiter und ging nebenbei in die Weinberge.

Als die Rente kam, stellte er fest, dass sie vorne und hinten nicht ausreichte und er kehrte zurück in die Weinlese. Bis heute habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern, erzählt er. Zu Hause warte niemand auf ihn. Also was solle man da schon erzählen?  Er sagt das mit einem Lächeln. Mir ist das Lächeln vergangen.

Trotzdem ist es mir wichtig, diese Geschichten zu hören und weiterzugeben, denn das Leben meiner Helfer ist mir nicht egal. Sie sind hier nicht nur als Arbeiter, sondern als Menschen. Auch das bedeutet Teamarbeit für mich. Zuhören und da sein.

Zurück in den Weinberg

Lächelnd klopft mir Zoli auf die Schulter und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Weiter gehts, die Arbeit macht sich nicht von allein sagt er und zieht mich mit. Es ist richtig warm geworden und unter der angenehmen Herbstsonne geht die Arbeit viel leichter von der Hand. Alles läuft wie am Schnürchen. Die Hindernisse des ersten Tages sind vergessen.

Feierabend

Trotzdem sind wir um 17:00 Uhr rechtschaffen müde. Als die Arbeiter gegangen sind und während Dorothée mit Réka, unserer Hündin, eine Runde dreht, lasse ich mich auf der Veranda nieder, genieße die Sonne und ein oder höchstens zwei Gläschen Wein.

To be continued…

Hier geht es zu den anderen Teilen unserer Winzersoap:
Winzersoap Teil 1: Traubenlese & Winzerromantik?
Winzersoap Teil 2: Zucker & Matsch 
Winzersoap Teil 3: Zeit ein Fass aufzumachen