Die Kunst, aus Trauben einen Qualitätsrotwein zu schaffen

Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es gibt zuletzt doch noch e’ Wein.
Mephisto Faust II 2. Akt VV 6813/14

Heute geht es um ein Gemeinschaftsprojekt zwischen zwei Winzern und Weingütern, unserem und dem Weingut Schmidt in Mechtersheim, also Römerberg 3. Dort hat Tobias Schmidt etwas für die Gegend Erstaunliches geleistet, nämlich 16 Hektar Land mit verschiedenen Rebsorten bepflanzt, u.a. Chardonnay, Riesling, Scheurebe und Spätburgunder. Um den letzteren geht es jetzt, denn Tobias bat mich, ihn bei der Vinifizierung seines 2020er Spätburgunders zu unterstützen.

Das Werden des Weines ist eine lange Prozedur, während der er in seinem Charakter mitgeprägt wird. Es ist nicht etwa so, dass man den abgepressten Most sich selbst überließe. Das Ergebnis wäre kaum kalkulabel. Die Vinifizierung ist wie eine Art Training für den Most, damit er ausdauernd (lagerfähig) und kräftig (gehaltvoll) wird.

Schmidt und Dr. Gratz bei der Vinifizierung des SpätburgundersEnzyme und Hefen arbeiten mit

Nun ist das Vinifizieren meist ein gut gehütetes Geheimnis des Winzers. Wir beschreiben hier dennoch einige Schritte. Schon beim Vermahlen erhält das Lesegut in der Maischemühle einen Enzymzusatz Rapidase Expression Aroma. Rapidase war übrigens ursprünglich der Name einer nordfranzösischen Firma, die Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurde und Enzyme produzierte. Hier beginnt nun nicht – wie manche argwöhnen könnten – die Alchemistische Hexenküche, sondern die wissenschaftlich fundierte Weinzubereitung.
Ein erheblicher Anteil der Geschmacks- und (beim Rotwein) Farbstoffe sind in den Traubenschalen eingeschlossen. Diese Stoffe werden aber durch das Vermahlen des Leseguts nur in geringem Umfang freigesetzt. Hier kommen nun spezielle Enzyme ins Spiel, die die gewünschten Inhaltsstoffe wie z.B. Thiole (alkoholähnliche organische Verbindungen) freisetzen.

Die frische Maische ist empfindlich, deshalb bekommt sie etwas Zusatz von Schwefel (Kaliumdisulfit – daher der Hinweis, dass Wein Sulfite enthält). Der Zusatz schützt vor Oxidation und bindet das bei der Gärung entstehende Acet-Aldehyd (das übrigens auch für das berühmte Katerkopfweh verantwortlich ist). Im nächsten Schritt bekommt die Maische Gärhilfe von speziellen Hefestämmen. Diese Zugabe von extraferm und Fermivin verhindern in ihrer Kombination zugleich einen Gärstopp, der unter Umständen eintreten könnte und sich negativ auf die Qualität auswirkt.

Nach 2 Tagen, in denen die Gärung auch auf Grund niedriger Temperaturen noch nicht richtig in Gang gekommen ist, lassen wir 50 l Saft ab und vergären sie (als Clairet, d.h. als Rosé) durch Zugabe einer gärkräftigen Hefe. Der dabei entstehende Effekt ist folgender: Der Clairet ist hell und hat wenig Farbstoff aufgenommen. Durch die Entnahme reduzieren wir die Flüssigkeitsmenge, während die Menge der Feststoffe gleichbleibt, so dass der Wein nun intensiver in Farbe und Gehalt wird.

Um die Hefen bei Laune zu halten, erhalten sie Hefenahrung in Form von Nutrivin (Anchor).  Außerdem fügen wir dem entstehenden Wein 1 kg stark getoastete französische Eichen-Chips im Baumwollsack zu. Die Chips reichern den Wein mit Gerbstoffen an. Die startende Gärung erzeugt Kohlendioxid, das insbesondere die Feststoffe (Schalen) nach oben treibt – sie bilden den Tresterhut, der während der gesamten Gärzeit täglich zwei Mal wieder in die Maische untergetaucht werden muss.

Gesamte Gärzeit bedeutet, dass diese Prozedur der Zerstörung des Tresterhutes auch bei der zweiten malolaktischen Gärung geübt werden muss. Diese Zweitgärung haben wir nach 12 Tagen nach abklingender Hefegärung durch Zugabe von Bakterien in Gang gesetzt. Die nun einsetzende “Gärung” verwandelt die im Wein enthaltene schärfere Apfelsäure in die mildere Milchsäure unter Abscheidung von Kohlendioxid. Wegen der Gasentwicklung wird auch dieser eigentlich chemische Prozess Gärung genannt.

Endet auch diese chemische Reaktion sinken die Festteile (tote Hefen, Schalen und Fruchtfleisch) auf den Boden. Nach etwa 14 Tagen kann der Wein abgezogen und die am Fassboden liegenden Feststoffe abgepresst werden.

Auf eine Beigabe von Gummi arabicum haben wir verzichtet. Bei Gummi arabicum handelt es sich übrigens um einen weit verbreiteten Lebensmittelzusatzstoff. Im Wein bindet er unerwünschte Bitterstoffe und macht ihn schmeichlerischer für den Gaumen. Stattdessen darf der Jungwein nun in schon genutzte Barriquefässer einziehen und sich dort erst einmal weiterentwickeln. Wir sind auf das Ergebnis gespannt, das wir aber wohl erst im Frühsommer verkosten dürfen.